Ein Jahr Amerika – eine Erfahrung, die ich zu keiner Minute bereut habe und für die ich mehr als dankbar bin. Bereits bevor das Jahr begann, war ich sehr überrascht, dass ich es im PPP-Auswahlverfahren unter die besten 75 Bewerber geschafft habe. Damit ging nicht nur Freude einher, sondern auch Bedenken, dem Auftrag als Junior-Botschafter so weit weg von zu Hause ein Jahr gerecht zu werden.
Die Gesamterfahrung an meinem Platzierungsort in Ohio war durchweg positiv. Zwar haben mich viele Amerikaner gefragt, warum es mich als Junior-Botschafter ausgerechnet nach Avon in den Nordosten von Ohio verschlagen hat, aber ich hätte mir nahezu nichts Besseres vorstellen können. Das lag vor allem an den Menschen, die ich hier getroffen habe, besonders an meiner Gastfamilie und den ehrenamtlichen Helfern der Kirchengemeinde, die sich gemeinsam mit dem College sehr gut um die internationalen Studenten kümmerten. Sie sind zu lebenslangen und vermutlich den besten Freunden geworden, die ich je hatte.
Mein PPP-Jahr hatte nicht nur positive Auswirkungen auf mich selbst, sondern auch auf die Community um mich herum. Trotz meines stetig besser gewordenen Englisch dauerte es meistens nur wenige Worte, bis Menschen meinen deutschen Akzent erkannten. Für viele war es der erste Kontakt mit jemandem aus Deutschland.
Besonders spannend war der kulturelle Austausch im deutsch-amerikanischen Kulturcenter „Donauschwaben“. Dort habe ich ehrenamtlich bei verschiedenen Events und in der Sprachschule für Kinder geholfen. Ich war zunächst erstaunt, dass es solch ein Zentrum überhaupt in meiner Umgebung gibt und wie breit das Spektrum an kulturellen Angeboten ist. Es hat sich ein bisschen wie Heimat weit weg von Zuhause angefühlt – deutsche Musik, Sprache und traditionelle Events.
Es gab bei den „Donauschwaben“ viele Menschen mit deutschen Wurzeln, jedoch sind die meisten von ihnen schon vor vielen Jahren in die USA ausgewandert oder sind bereits die 2. Generation, die teilweise kein Deutsch mehr spricht. Somit war ich für viele ein „Deutscher zum Anfassen“ und erlebte viele spannende Gespräche.
Nicht nur habe ich viel mit den Menschen über die Geschichte oder Politik Deutschlands gesprochen, sondern auch über alltägliche Dinge, wie das Recyclingsystem oder ein typischer deutscher Supermarkt. Oft brachten mich die Fragen der US-Amerikanerinnen nochmal zum Nachdenken, weil vieles für mich so selbstverständlich und selbsterklärend war, es hier jedoch einfach anders war. Auch konnte ich mir bei manchen Themen, mit denen ich mich vorher noch nicht so intensiv auseinandergesetzt habe, nochmal Wissen aneignen. Dazu gehörten vor allem Fragen, die die DDR betreffen. Meine Eltern sind beide in der DDR aufgewachsen. Das ist nicht ein großes Thema in der Heimat, weil das für nahezu alle im Erzgebirge zutrifft und daher wusste ich auch nicht viele Details dazu. Aber dieser Fakt war für die Menschen in Ohio sehr überraschend und es bestand großes Interesse am Leben in der ehemaligen DDR und den Erfahrungen der Menschen.
Als Juniorbotschafter reflektierte ich Vorurteile und versuchte, Stereotypen abzubauen. Es war nahezu schockierend zu sehen, dass nicht eine einzige Person, mit der ich gesprochen habe, etwas mit Sachsen oder gar dem Erzgebirge anfangen konnte. Ich habe jedes Mal erklärt, dass ich an der tschechischen Grenze über Bayern wohne, was meist für Klarheit sorgte. Auch der Fakt, dass ich vielleicht nicht der typische Deutsche, der Bier trinkt, Trachten trägt und sich von Fleisch und Kartoffeln ernährt bin, sondern vielmehr gar kein Alkohol trinke, Volksfeste nicht wirklich mag und vegetarisch lebe, hat viele überrascht und zum Abbau von Vorurteilen geführt.
Das war auch ein Ziel, das ich mir selbst gesetzt habe: Menschen zu zeigen, dass abseits beziehungsweise auch innerhalb von Bayern andere Kulturen existieren und Deutschland in dieser Hinsicht sehr divers sein kann. Auch dadurch, dass mir Themen wie Klima- und Umweltschutz sehr wichtig sind und ich darüber oft mit Menschen gesprochen habe, konnte ich einige zum Nachdenken bewegen.